Restorative Just-Culture
Ursprünglich zur Konfliktlösung entwickelt, schafft die „Restorative Just Culture“ ein Umfeld, in dem – z.B. nach einem Ereignis – nicht Schuldzuweisungen, sondern Lernen und Wachstum im Mittelpunkt stehen.
Was ist eine Restorative Just Culture?
In der „Retributive Just Culture (Vergeltungskultur)“ steht die Suche nach einem Schuldigen im Vordergrund – Fehler werden als individuelle Verfehlungen betrachtet, die mit Disziplinarmaßnahmen zu belegen sind. „Wer ist schuld?“ lautet die Frage, die oft im Mittelpunkt steht.
Im Gegensatz zu diesem traditionellen Ansatz konzentriert sich die Restaurative Just Culture nicht auf Schuldzuweisungen und darauf, was schief gelaufen ist, sondern darauf, wer verletzt wurde, was verloren ging und wie wir reparieren und wiederherstellen können.
Der Fokus verlagert sich von der individuellen Schuld auf die Verbesserung der Organisation, wodurch ein unterstützendes Umfeld geschaffen wird. Der entstandene Schaden wird angesprochen und auf die Bedürfnisse der Betroffenen eingegangen. In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig anzuerkennen, dass Fehler für Fachkräfte traumatisierend sein können, so dass durch Schuldzuweisungen keine „zweiten Opfer“ geschaffen werden.
Eine Restorative Just Culture bedeutet also, dass Organisationen den Menschen in den Mittelpunkt stellen und gleichzeitig sicherstellen, dass aus Ereignissen gelernt wird, um sie in Zukunft zu vermeiden.
Warum brauchen wir eine Restorative Just Culture?
Eine reaktive „Blame Culture“, in der Fehler automatisch mit Schuldzuweisungen und Disziplinarmaßnahmen geahndet werden, schadet mehr als sie nützt. Wenn Mitarbeiter Angst vor Sanktionen haben, werden Fehler und Ereignisse eher vertuscht als offen angesprochen. Dies verhindert ein ehrliches und tiefes Verständnis der zugrundeliegenden Probleme und damit auch das Lernen.
Im Gegensatz dazu fördert eine Restorative Just Culture ein Klima des Vertrauens, in dem Menschen sich sicher fühlen, über Fehler zu sprechen. Dies ermöglicht eine tiefere Analyse von Problemen, die nicht nur individuelle Handlungen, sondern auch systemische Faktoren berücksichtigt. Auf diese Weise können Organisationen wirklich aus Ereignissen lernen und langfristige Verbesserungen erzielen.
Drei Grundprinzipien der Restorative Just Culture
- Wiederherstellung und Heilung statt Schuldzuweisung: Der Schwerpunkt liegt auf der Wiedergutmachung des Schadens und der Wiederherstellung des Vertrauens in die Organisation. Wenn jemand einen Fehler gemacht hat, sollte das Ziel sein, die betroffene Person zu unterstützen und zu verstehen, wie es dazu kommen konnte, anstatt Schuld zuzuweisen. Es geht darum, zu lernen und sicherzustellen, dass sich ähnliche Fehler nicht wiederholen.
- Einbeziehung aller Betroffenen: Eine Restorative Just Culture ist dialogorientiert. Sie erfordert, dass alle Betroffenen – diejenigen, die den Fehler gemacht haben, diejenigen, die von den Auswirkungen betroffen sind und diejenigen, die die Verantwortung tragen – zusammenkommen, um zu verstehen, was passiert ist. Der Prozess ist offen, transparent und respektvoll, und es werden Lösungen gesucht, die das Vertrauen in die Organisation stärken.
- Systemische Faktoren verstehen und verbessern: Anstatt sich nur auf individuelle Fehler zu konzentrieren, konzentriert sich eine Restorative Just Culture auf die systemischen, organisatorischen und kulturellen Faktoren, die zu dem Vorfall beigetragen haben. Es wird anerkannt, dass Fehler oft das Ergebnis komplexer Interaktionen in einem Arbeitsumfeld sind und dass die Verbesserung von Systemen und Prozessen entscheidend ist, um zukünftige Vorfälle zu verhindern.
Praktische Umsetzung einer Restorative Just Culture
In der Praxis stellt eine Restaurative Just Culture einige einfache, aber entscheidende Fragen:
– Wer wurde verletzt?
– Was sind ihre Bedürfnisse?
– Wer sollte diese Bedürfnisse erfüllen?
Zum Download: Sydney Dekkers „Restorative Just Culture Checklist“ https://www.safetydifferently.com/wp-content/uploads/2018/12…
Gut zu wissen
Eine Organisation, die eine Restorative Just Culture fördert, schafft ein Arbeitsumfeld, in dem Mitarbeitende sich wertgeschätzt und respektiert fühlen. Sie haben das Vertrauen, Fehler offen anzusprechen, und das wiederum führt zu einer tieferen, systemischen Analyse von Sicherheitsproblemen und damit letztendlich nicht nur zu einer sichereren Arbeitsumgebung, sondern auch zu einer resistenten und anpassungsfähigen Organisation.
Die Umsetzung ist ein kontinuierlicher Prozess, der Engagement, Offenheit und Veränderungsbereitschaft erfordert. Aber er schafft Mehrwert: mehr Sicherheit, Vertrauen und eine echte Lernkultur
Danke! Für das Originalfoto an Deva Darshan: https://www.pexels.com/de-de/foto/person-die-auf-gelbem-motorroller-auf-strasse-reitet-1643775/
Quelle: Dekker, S. W. A., & Breakey, H. (2016). ‚Just culture:‘ Improving safety by achieving substantive, procedural and restorative justice.Safety Science, 85, 187–193. https://doi.org/10.1016/j.ssci.2016.01.018
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